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Der Erste Weltkrieg
 
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Der Kriegsausbruch am 28. Juli 1914 hätte eigentlich keine Umwälzung in den Natisonetälern verursachen sollen, denn Italien gehörte ja dem Dreibund an, zusammen mit den zwei mitteleuropäischen Kaiserreichen Deutschland und Österreich-Ungarn. Durch das sogenannte “friulanische Slowenien” verlief also eine “friedliche” Grenze. Darüberhinaus hatte Italien schon am 3. August seine Neutralität angekündigt. Der Dreibund hatte nämlich Verteidigungscharakter, und in diesem Fall dagegen hatte die Habsburgische Monarchie Serbien gegenüber den Krieg erklärt, um den Tod des Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajevo bei einem serbisch-nationalistischen Attentät zu rächen.
Aber etwas stimmte nicht im offiziellen Rahmen des Bundes, und das nahmen nur allzu gut die Einwohner der Natisonetälern in der zweiten Hälfte des Jahres 1914 wahr. Bei Castelmonte/Stara Gora und auf den Bergen Kolovrat, Matajur, Craguenza/Kraguojnca und Mladesena, entlang jener Grenze also, die absolut identisch war mit der heutigen Grenze zwischen Italien und Slowenien, und die jahrhundertlang die Venezianische Republik von Österreich-Ungarn getrennt hatte, begann Italien wichtige Verteidigungsarbeiten, baute Befestigungswerke und Schützengräben und errichtete Infrastrukturen und Verbindungsstraßen im Etappengebiet. Das Netz und der Zustand der Straßen war nämlich sehr schlecht, wenn man von der Hauptstrasse in der Talebene von Natisone/Nediža absieht, und man kann wohl sagen, dass der größte Teil des heutigen Straßennetzes in der Benecia auf den Ersten Weltkrieg zurückgeht.
Im Geheim fanden Verhandlungen mit den Mitgliedern der Entente (Großbritannien, Frankreich und Russland) statt. Am toten Punkt nach den ersten Kriegswochen hätte nämlich Italien den Ausschlag geben können, und konnte also mit den streitenden Parteien verhandeln, um beim Sieg die größten Gebietsgewinne zu bekommen.
 
 

Eine kleine aber einflussreiche Kulturelite sah sehr gern Neubeginn der Feindseligkeiten mit Österreich, um den Zyklus der Risorgimento-Kriege zu beenden und alle italienischen Gebiete wieder zu erobern. Als Italien mit dem Londoner Pakt am 26. April 1915 seine Bereitschaft unterzeichnete, den Dreibund zu verlassen, um der Entente beizutreten, waren die Befestigungsarbeiten in den Natisonetälern schon weit fortgeschritten und die Bevölkerung wohnte schon in einem Kriegsgebiet.
Der erste Kanonenschuss wurde am 24. Mai 1915 gefeuert. Im Natisonetal rückten eine Bersaglieri-Abteilung bis Kobarid/Caporetto vor; eine andere, von Cepletischis/Čeplešišče kommend, eroberte Livek und das westliche Ufer des Isonzo/Soča. Der erste Tote des Krieges, der friulanische Alpenjäger Riccardo Di Giusto, fiel bei Solarie/Solarje in der Nacht vom 24.05., getroffen von einem österreichischen Gewehrschuss. Es war keine heldenhafte Vormarsch. Die österreichischen Soldaten zogen sich in ihre Verteidigungsposten auf dem òstlichen Isonzoufer zurück. Eine Heldentat war dagegen im Juni 1915 die Eroberung des Krn-Gipfels von seiten der italienischen Alpenjägern mit einer schwierigen und mutigen Aktion. Seitdem blieb die Militärlage auf diesem Gebiet der Isonzofront bis zur Karfreit-Schlacht unverändert. Die vorangehenden 11 Schlachten hatten nämlich keine Wirkung und ließen nur eine ungeheure Zahl von Toten und Verletzten zurück.
Die Natisonetäler wurden so zu einem ständigen Etappengebiet. Es gab hier keine so dramatische Situation wie an der Front, aber es war bestimmt keine leichte Lage. Die ständige Anwesenheit von Zehntausenden von Soldaten und Logistikreferenten überwältigte die nicht sehr zahlreiche (einige Tausende) Bevölkerung der Natisonetäler.Ab und zu verursachten feindliche Artillerieschüsse Tote und Verwundete in der Umgebung von Drenchia/Dreka, Tribil/Tarbi und Castelmonte/Stara Gora. Häuser, Felder und Kirchen wurden beschlag-nahmt, um Raum für die Unterkünfte für Soldaten und Tiere, für Krankenhäuser und Lager zu schaffen, die Strassen waren ständig von einem Menschenstrom und Verkehrsmitteln verstopft, die Waffen, Munition, Lebensmittel und Kriegsausrüstung transportierten. Eine leichte Verbesserung dieser Lage erwirkte im Jahr 1916 der Bau der Schmalspurbahn (75 cm.) Cividale-Sužid (ein kleines Dorf bei Kobarid, vor dem direkten Kanonenschuss geschützt) mit Haltestellen in Sanguarzo, Ponte S. Quirino/Muost, S. Pietro al Natisone/Špietar, Brischis, Pulfero/Podbuniesac, Loch/Log, Stupizza/Štupca und Robič.
Die Verteidigung war in drei Widerstandslinien organisiert. Die erste Linie verlief auf dem Rücken vom Berg Stol, ging nach Staro Selo hinunter, dann auf den Matajur hinauf, verlief weiter auf dem Kolovrat-Grat und endete auf dem Ježa und Globočak jenseits des Flusses Judrio/Idrija. Die zweite Verteidigungslinie trennte sich von der ersten im Tal zwischen Livek und Polava und verlief quer durch die Natisonetäler auf den Gipfeln der Berge S. Martino/Sv. Martin und Cum/Hum.Die dritte Verteidigungslinie dagegen verlief von der Punta di Montemaggiore entlang den Grat der Berge Joanaz/Ivanac, Craguenza/Kraguojnca und Mladesena bis Purgessimo, Castelmonte/Stara Gora und den Berg Korada.
Nicht viel konnten aber diese Verteidigungslinien gegen den großen Angriff der Mittelmächte im Oktober 1917 ausrichten. Als Russland sich nach der bolschewistischen Revolution aus dem Krieg zurückzog und Rumänien niedergeschlagen wurde, konnte Österreich-Ungarn die Isonzo-Front verstärken, die nur mit Schwierigkeit den elf italienischen Offensiven Widerstand geleistet hatte. Dabei wurde die habsburgische Armee auch von den deutschen Truppen flankiert. Es wurde ein gewaltiger Artillerieapparat aufgestellt, samt Granatwerfer mit Erstickungsgasgeschossen, gegen die die italienischen Truppen gar nicht ausgerüstet waren. Ebenso wurde eine neue Militärstrategie angewandt. Statt gegen die Befestigungen aufden Gipfeln zu kämpfen, wollte die Karfreiter Offensive den Talstoß mit nachfolgender Einkreisung und Kapitulation der Gipfelstellungen erwirken. Die Geschwindigkeit des Angriffs (wie z.B. der von Rommel auf dem Kolovrat, siehe Route 6) überraschte die italienischen Truppen. Diese erfuhren wohl durch ihr Spionagenetz von einer bevorstehenden Offensive, nahmen jedoch davon keinen Vorteil. Vielmehr verursachten die in letzter Minute gemachten Aufstellungsveränderungen, Abteilungswechsel und Verschanzungverstärkungen nur noch mehr Verwirrung. Als der Angriff losging, hatten einige Abteilungen gerade ihre Stellung gewechselt, andere waren noch unterwegs.
In den Natisonetälern hatte die Karfreiter Offensive fast apokalyptische Wirkungen. Sie begann am 24. Oktober nachts gegen 1 Uhr mit einem gewaltigen Artillerieangriff. “Es war, als ob die Berge vom Feuer verschluckt wären”-schrieben Augenzeugen, und die Erde schien “glühende Wasserbrunnen” zu speien, die “überall herausspritzten und die Luft erhitzten”. Dramatisch waren auch die Folgen der

 

 

 

 

 

 

 

   
Gasgeschosse. Während im Norden bei Bovec/Flitsch, wo das Tal enger ist, das Gas so intensiv angewendet wurde, dass das ganze Tal verseucht war, wurde in den südlicheren Natisonetälern der “Kleinschuss” gebraucht, also in den Artilleriegranaten eingesteckte Gasflaschen, die eine tödliche Gasmischung, das sogenannte Buntschiessen, enthielten. Es handelte sich um eine Mischung von Difenilchlorarsin und Fosgen. Die erste Substanz, auch Blaukreuz genannt (aus dem Symbol, das diese Geschosse kennzeichnete), verursacht Brechreize und Beschwerden an Augen und Atemwegen, dringt leicht in die Gasmasken ein und zwingt dazu, sie auszuziehen; die zweite, auch Grünkreuz genannt, ist ein tödliches Gas, das das Nervensystem paralysiert.
Am nächsten Morgen begann der Infanterieangriff, der trotz des manchmal tapferen Widerstandes der italienischen Truppen nicht mehr zu halten war. Am 25. Oktober fielen die Stellungen auf dem Kolovrat, am 26. die auf dem Matajur und bei Stupizza/Štupca; am 27. die auf dem Rücken der Berge Craguenza/Kraguojnca und Joanaz/Ivanac. Der Weg zur friulanischen und sogar zur venetischen Ebene bis zum Fluss Piave stand weit offen davor.
 
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